CONNECT Leipzig
CONNECT Leipzig
15.03.2018 — 24.03.2019
Mit CONNECT Leipzig öffnet das MdbK dem künstlerischen Nachwuchs das Haus und bietet ihm die Möglichkeit, erste Museumserfahrungen zu sammeln. Aus 120 eingegangenen Bewerbungen hat eine international besetzte Jury zehn junge Positionen auswählt, die sich seit März 2018 im vierwöchigen Wechsel im Zündkerzen-Hof im Erdgeschoss des MdbK präsentieren.
Die KünstlerInnen der ersten Ausstellungsreihe CONNECT Leipzig sind:
Deborah Jeromin. Metamorphosen / Video und Installation: 14.03.–08.04.2018
Benjamin Dittrich. Zarter Fels / Grafik & Malerei: 19.04.–13.05.2018
Sebastian Hosu. Green Meat / Malerei: 24.05.–17.06.2018
Gregor Peschko. Eingang / Installation: 05. – 29.07.2018
Ramona Schacht. Not enough / Fotografie: 06.–30.09.2018
Carsten Saeger. Exercises for a Monument / Installation, Performance: 11.10.–04.11.2018
Heet Lee. Axio / Malerei: 15.11.–09.12.2018
Sarah Pschorn. First Contact / Skulptur, Installation: 19.12.2018–13.01.2019
Gala Goebel. Eigenlich ist alles gut / Videoinstallation: 23.01.–17.02.2019
Andrėja Šaltytė. Der 7. Fall / Videoinstallation: 28.02.–24.03. 2019
Deborah Jeromin. Metamorphosen
Anhand der Metamorphose von Naturseide entspinnt sich eine brutale Geschichte, in der Seide zum Propaganda-Instrument, zum Rüstungsgut, zur Todesursache und zum Taschentuch wird. Am 20. Mai 1941 begann der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Kreta. Der Einsatz von ca. 10.000 Fallschirmjägern war der Anfang der deutschen Terror-Herrschaft auf der Insel. Deborah Jeromin verfolgt die Geschichte von Fallschirmseide – von der NS-Seidenraupenzucht in Leipzig über die Luftlandeschlacht auf Kreta bis hin zur dortigen Wiederverwendung der Fallschirme. Ende der 1930er Jahre wurden im Leipziger Kleingartenverein Hoffnung West 1926 e.V. Maulbeeren angepflanzt, um Seidenraupen für die Produktion von Fallschirmen züchten zu können. Im Mittelpunkt der Installation steht eine Videoarbeit, in der die Künstlerin kretische Zeitzeuginnen nach dem Verbleib der Fallschirme befragt hat. Durch ihre Erinnerung an textile Handarbeitsprozesse erzählen die Frauen von den Verbrechen der Deutschen Wehrmacht und die Lebensbedingungen auf Kreta während der deutschen Besatzung von 1941 bis 1944.
Benjamin Dittrich. Zarter Fels
Benjamin Dittrich forscht in ausrangierten Naturbildbänden, Enzyklopädienund Sachbüchern nach Bildquellen für seine Arbeiten. Er findet Tabellen, Diagramme, 1Wissenschaftszeichnungen mit teilweise überholten Informationen, die er in einem Akt der subjektiven Aneignung neu zusammensetzt. Es entstehen Bildvorlagen, die auf Leinwände mit Lackfarben schichtenweise übertragen oder in Linoleum geschnitten werden. Dittrich dekonstruiert die Universalsprache der Naturwissenschaften und erschafft im Gegenzug ein pseudo-wissenschaftliches Bildsystem. Es ist sein Versuch, das Leben auf diesem Planeten und den Umgang des Menschen mit seiner Umgebung künstlerisch zu visualisieren.
Sebastian Hosu. Green Meat
Schauplatz von Sebastian Hosus Gemälden und Zeichnungen ist die Natur, wobei mit Natur urbane Freizeiträume, wie Spielplätze, Parkanlagen oder Freibäder, gemeint sind. Die darin agierenden Figuren rekrutiert er zum Teil aus älteren, privaten Familienfotografien. Ihre künstlerische Übertragung ist jedoch nicht vollständig, so dass rätselhafte Körperfragmente in Erscheinung treten. Dabei kann es vorkommen, dass ein und dieselbe Figur in unterschiedlichen Abstraktionsgraden auf mehreren Bildern auftaucht. Körper und Landschaften nähern sich einander an, bis sie unauflösbare Verbindungen in den Medien Malerei und Zeichnung eingehen. Die formsprengenden Bewegungen des Pinsels und die formauflösende Kreide-Wischtechnik sind dabei präsente Stilmerkmale und sogleich bildnerische Versuche, dem Ursprung von Mensch und Landschaft nachzugehen. Hosus Malereien und Zeichnungen entstehen parallel. Sie sind gegenseitige Impulsgeber.
Gregor Peschko. Eingang
Der Prozess des Ausstellens und seine wuchernde mediale Zweitverwertung in sozialen Medien, auf Youtube und in Kunstblogs sind Ausgangspunkt dieser Ausstellung. Zwischen den vermittelnden Strukturen der Institution und den Blickregimen der medialen digitalen Weiterverarbeitung wird der Raum in ein Szenario versetzt, das auf eine potenzielle Verwertung wartet. Als alternativer Eingangsbereich verhält sich die Ausstellung im Zündkerzenhof wie eine Spiegelung zum tatsächlichen Eingang, der die Schwelle zum Kunstkontext darstellt und so den Startpunkt eines besonderen Rezeptionsmodus markiert. Das zweite Foyer wirkt aber gleichzeitig seiner tatsächlichen Funktion enthoben, eher wie ein Bühnenbild oder Filmset. Der Ort schwebt in einer gewissen Lethargie zwischen Nutzlosigkeit und möglicher Aktivierung, zwischen Stillstehen
und einer potenziellen Bespielung und Medialisierung als Set.
Ramona Schacht. Not enough
Für NOT ENOUGH hat Ramona Schacht polyamorös lebende Paare fotografiert und ist mit der beobachtende Position der Kamera Teil der Fluchtbewegung der jeweiligen Situation geworden. Eingefrorene Momente aufgeriebener Haut, das Gefühl von Nähe und der Blick auf fragile Körperausschnitte – so zeigt sie Intimität. Eindrücke also, die kurz auftauchen und die wir oft nur an unserem Gegenüber erkennen können. Um das einzufangen, wird Bewegungsunschärfe das wichtigste bildästhetisches Mittel ihrer Arbeit. Intimität und Liebe bleiben so Eigentum der Abgebildeten wie Betrachtenden und ermöglicht damit ein Sinnpotential, das sich zu keiner Zeit erschöpft.
Carsten Saeger. Exercises for a Monument
In seiner Ausstellung Exercises for a Monument erprobt Carsten Saeger ein Denkmal. Dafür installiert er eine rohe Tonskulptur, die sich formal an den ersten Denkmälern zur Völkerschlacht orientiert und macht sie zu einem Teil einer performativen Installation, die sich über die Ausstellungsdauer verändert und über den Zündkerzenhof hinaus in den Museumskörper audiovisuell integriert wird.
Im Beethoven-Saal und im Foyer des Museums installiert Saeger zudem eine mehrkanalige Videodokumentation und fügt sie so dem Bestand hinzu. Die tableauhaften Sequenzen zeigen
verschiedene Übungen mit Reenactors und PerformerInnen an den Gedenkorten der Völkerschlacht.
Heet Lee. Axio
"Die Ausstellung Axio umfasste rund 15 große Malereien in Mischtechnik mit ein paar ergänzenden Bildhauereien. Die zugrundeliegende Idee zieht ihre Inspiration aus Leipzigs auffälliger Plakatwerbung.
Eine bescheidene Ästhetik kennzeichnet die Straßen Leipzigs. Mit Kleister angebrachte Plakate und unabhängiges Marketing stehen in starkem Kontrast zu den privatisierten, digital-dominierten Städten
Nordamerikas, an die ich gewöhnt bin. Deshalb habe ich den Fokus speziell auf den physischen, materiellen Aufbau von Medien gerichtet. Sei es Werbung in einer Zeitschrift oder ein Gemälde im Museum –
wir sind die Konsumenten, wir sind das Publikum. Was tatsächlich »für uns dabei rausspringt«, liegt tiefer. Absichten und Kernstrukturen bilden eine wahrgenommene Realität bzw. die Oberfläche, die wir
sehen – oder im Fall von Werbung – was uns »vorgegeben« wird." (Heet Lee)
Sarah Pschorn. First Contact
First contact ist eine raumbezogene Installation, die die Verbindung von Objektcollagen und architektonischem Umraum erkundet. Die Objekte der Installation, größtenteils gefäßartige Collagen aus Ton, Porzellan, Glas und Fundstücken interpretieren ein historisch bekanntes Formenrepertoire auf bildhauerische Weise. In der Arbeit First Contact ist die Auseinandersetzung mit Materialität und ihrer Ästhetik spürbar. Stilepochen werden angespielt, polarisieren, ziehen an und stoßen sich ab – eine emotionale Form- und Farbstudie der Gegenwart entsteht. Die Stücke der Installation wuchsen aus der Atmosphäre und Farbigkeit eines
verlassenen Fabrikraums im Leipziger Westen heraus. Sie tragen die ästhetisch-formalen Merkmale ihres Entstehungsortes wie eine DNA in sich und transportieren diese in den Ausstellungsort. Für ihre Einzelausstellung erweiterte Sarah Pschorn die Installation um zwei weitere Arbeiten: Pushing each other further und RAW.
Gala Goebel. Eigenlich ist alles gut
Die Videos von Gala Goebel destillieren Momentaufnahmen, lassen mikroskopische Akte groß werden, ohne Hast und ohne Ende. Ihre Arbeiten sind der permanente Versuch,
der visuellen und inhaltlichen Flut der Umwelt (einer Art Umweltkatastrophe) zu begegnen. Ein Bewältigungsversuch der Überwältigung.
Auch in der Audio-Installation Eigentlich ist alles gut. ist Verlangsamung ein zentrales Thema. In einem Stuhlkreis aus konventionellen Alltagsstühlen setzt Du Dich auf einen freien Platz und ziehst
Kopfhörer auf. Plötzlich bist Du inmitten einer außergewöhnlichen Gesprächsrunde. Sieben Teilnehmer*innen verhandeln mit erschreckender Offenheit kollektive Themen ihrer Generation. »Wie geht es
Dir?« – Ausgehend von dieser Frage wird versucht, eine ehrliche Antwort zu finden.
Andrėja Šaltytė. Der 7. Fall
Die Künstlerin zu ihrer 2018 vollendeten Videoinstallation: "Im Riss des Heiligen Unausgesprochenen in dem Dorf Velyka Chernihivka hört man die ungeheure Mischung der jetzigen Krise des Staates der Ukraine und die der Reste des ewigen Sowjetismus. Hier, wo die Sprache durch Medien und Machtkrieg seit Jahren instrumentalisiert wird, ist die Stimme der lokalen Gesellschaft an den öffentlichen Diskurs angepasst. Sie wird durch regelmässige Konzerte des Chors geübt und entzieht sich allem Persönlichen. Ihr Klang schützt das offizielle, "unfehlbare" Bild des Dorfes. Darunter verbirgt sich aber eine andere Physiognomie des Sozialkörpers. Ich filme unter den Bedingungen der inhaltslosen Distanz zwischen mir und den Einwohnern Velyka Chernihivkas´. In dieser Distanz entflieht die Sprache der Menschen meinem Versuch, sie zu ergreifen. Die Kamera stößt auf eine seltsame Plastik der Kommunikation und kratzt an ihrem offiziellen Gesicht." Der 7. Fall wurde realisiert mit freundlicher Unterstützung des Lithuanian Council for Culture.
Ein Katalog dokumentiert alle 10 Ausstellungen der ersten Folge von CONNECT Leipzig. Der Band mit 140 Seiten und zahlreichen Abbildungen ist im Museumsshop für € 15,70 erhältlich.
Die Ausstellungsserie wurde unterstützt durch die BMW Niederlassung Leipzig, Alte Messe und die Sternburg Brauerei.