Evelyn Richter & Ursula Arnold Archiv
Das Evelyn Richter und Ursula Arnold Archiv ist ein Kooperationsprojekt der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und dem Museum der bildenden Künste Leipzig. Die Werke der Fotografinnen werden im MdbK bewahrt, erforscht und durch Ausstellungen sowie Publikationen vermittelt.
Der Film
Evelyn Richter und Ursual Arnold Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, 2025
Die Archive
Das Evelyn Richter Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig wurde am 12. November 2009 gegründet. Den Grundstock bildet das von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung erworbene Konvolut der wichtigsten Werkgruppen der Fotografin. In enger Zusammenarbeit mit Evelyn Richter wurde das Archiv bis zu ihrem Tod um Dokumente, Bücher und Fotografien erweitert. Anhand der über 900 Motive lässt sich ihr künstlerisches Konzept und ihre Arbeitsweise studieren. Die Arbeit des Archivs ist durch die grundlegenden musealen Aufgaben Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln bestimmt.
Im Sommer 2016 erweiterte die Sparkassenstiftung das Archiv mit dem Ursula Arnold Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig um eine weitere bedeutende Stimme der dokumentarisch-künstlerischen Fotografie. In enger Zusammenarbeit mit Andreas Arnold, dem Sohn der Fotografin, konnte das gesamte Œuvre der Künstlerin erworben werden. Mit den beiden Archiven wird das Schaffen von zwei der wichtigsten Vertreter*innen der dokumentarischen Fotografie in der DDR erhalten, erforscht und angemessen betreut. Zugleich hat eine einmalige Sammlung zeitgeschichtlicher Dokumente ihren Ort.
Evelyn Richter
Evelyn Richter, 1930 in Bautzen geboren, ist eine der bedeutendsten, international beachteten Vertreterinnen und Vertreter der humanistisch geprägten künstlerischen Fotografie in der DDR. Nach einer dreijährigen Fotografinnenlehre in Dresden bei Pan und Christine Walther, wo sie das traditionelle Handwerk erlernte, suchte sie eine künstlerische Herausforderung: Sie begann 1953 ein Fotografiestudium in Leipzig, das sie jedoch nach zwei Jahren aufgrund ihrer unfreiwilligen Exmatrikulation vorzeitig beenden musste. Richters hohe Erwartungen an die künstlerische Lehre wurden nicht erfüllt. Lehrziele und Lerninhalte waren in den 1950er Jahren an der Hochschule ebenso wie die kulturpolitische Diskussion und die berufliche Realität noch nicht auf das Berufsbild einer künstlerisch arbeitenden Fotografin zugeschnitten. Sie suchte das „ungeschönte“ Menschen- und Lebensbild ihrer eigenen Alltagsrealität. Seit 1955 arbeitete sie freiberuflich, anfänglich im Bereich der Theaterfotografie, für die Tagespresse und verschiedene Zeitschriften (Das Magazin, Für Dich, Fotofalter, Sibylle) sowie für die Leipziger Messe. Durch ihre bildjournalistischen Arbeiten konnte sie ihr künstlerisches Anliegen verfolgen. In den 1970er und 1980er Jahren publizierte sie drei Fotobücher: David Oistrach. Ein Arbeitsporträt (1973), Paul Dessau. Aus Gesprächen (1974) und Entwicklungswunder Mensch (1980, 1. Auflage, Text: Hans-Dieter Schmidt). 1981 kehrte die Fotografin als Lehrende an die HGB zurück. In den Jahren von 1981 bis 2001 konnte sie junge Fotograf*innen zum Sehen und Fotografieren anleiten. Von 1990 bis 1991 war sie zudem an der Fachhochschule Bielefeld tätig.
Evelyn Richters Interesse galt den gestalterischen und gesellschaftlichen Aufgaben der Fotografie. Ab 1957 entstanden ihre fotojournalistischen Langzeitprojekte. Ihre fotografischen Studien der Lebens- und Arbeitsbedingungen ihrer Mitmenschen konterkarierten das Selbstbild der DDR als eine vermeintlich menschlichere Gesellschaft. Es entstanden Werkgruppen zu den Themen arbeitende Frauen, Auszubildende, Reisende in öffentlichen Verkehrsmitteln, Ausstellungsbesucher*innen sowie Porträts von Künstler*innen. Aber auch Stadtlandschaften, welche die Tristesse, den Verfall und die Lebensumstände in der DDR thematisieren, wurden zu Motiven in Richters Fotografien. Im Herbst 1989 forderte Richter die Studierenden eindringlich auf, das politische Geschehen auf der Straße zu dokumentieren. Aus Westdeutschland organisierte sie lichtempfindliche Filme und ging selber auf die Straße, als Fotografin, Dokumentaristin und Demonstrantin. Nach der Friedlichen Revolution begann Evelyn Richter, ihr fotografisches Werk zu sichten und aufzuarbeiten. 2020 erhält sie den erstmals ausgelobten Bernd und Hilla Becher-Preis der Stadt Düsseldorf für ihr Lebenswerk. Im Oktober 2021 starb die Fotografin im Alter von 91 Jahren in Dresden.
Ursula Arnold
Ursula Arnold wird 1929 in Gera geboren, wo der Vater Walter Musche als Fotograf ein Atelier führte. Nach dem Abitur 1948 entschied sie sich für den Beruf der Fotografin und lernte im Atelier von Harry Evers in Weimar, einem Schüler von Walter Hege. Zu weiteren Studien geht Ursula Arnold 1950 an die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig. Die Zeit an der Hochschule bis zum Diplom 1955 war für sie wenig inspirierend, sogar eher enttäuschend. Die einsetzende Formalismus-Debatte beeinträchtigte die Freiheit in der Lehre, die sich streng an staatlichen Vorgaben orientiert und eine sozialistische Bildwelt vorschreibt. Experimente waren nicht gestattet und konnten zum Schulverweis führen. 1953 kam ihr Sohn Andreas auf die Welt. Mit Evelyn Richter, die seit 1953 an der Hochschule studierte, verband Ursula Arnold ein intensiver Fachaustausch und eine lebenslange Freundschaft. Mit ihr besucht sie auch wahrscheinlich die von Edward Steichen organisierte Ausstellung The Family of Man in West-Berlin, die auch für ihre weitere künstlerische Arbeit wegweisend wird. Arnold begann nach ihrem Diplom an der Hochschule, als freie Fotografin zu arbeiten. Der Versuch, gemeinsam mit einer Reihe von Kommilitoninnen und Kommilitonen u.a. F. O. Bernstein, Rosemarie Eichhorn, Volkmar Jaeger, Evelyn Richter, Renate und Roger Rössing, Günter Rössler, W.G. Schröter sowie Helga Wallmüller 1956 unter dem kämpferischen Namen action fotografie Bilder auszustellen, die ihnen persönlich wichtig waren und in denen sie eine neue Sicht auf Mensch und Umwelt zum Ausdruck bringen wollten, scheiterte 1957 nach der zweiten Ausstellung an den kulturpolitischen Rahmenbedingungen.
1957- nach nur 18 Monaten Freiberuflichkeit – gab Ursula Arnold die Tätigkeit als Fotografin auf, da ihre subjektive, empathische Sicht als Bildjournalistin abgelehnt wurde. Mit ihrer Familie zog sie nach Berlin und nahm eine Stelle als Kamerafrau beim DDR-Fernsehen in der Abteilung Dramatische Kunst an. 1968 wird sie „erste Kamerafrau“. Als Ausgleich zu ihrem Beruf begann sie ab Mitte der 1960er Jahre Menschen im Stadtraum Berlin in der Tristesse des Alltags zu dokumentieren. Ihre Fotografien zeigte und diskutierte sie nur privat mit ihren engsten Freundinnen, Evelyn Richter und der Bildhauerin Christa Sammler. 1985 beendete sie die Kameraarbeit beim DDR-Fernsehen und wandte sich, den Spuren Theodor Fontanes folgend, der Landschaftsfotografie zu, wobei u. a. Serien über den Leuenberger Forst und Naturpark Märkische Schweiz entstehen. 2003 erhielt Ursula Arnold den Hannah-Höch-Preis des Landes Berlin. Sie starb 2012 in Berlin.
Ausstellungen
Ausstellungen [Auswahl]
Evelyn Richter: Das Fotobuch
MdbK, 10.03. – 23.06.2013
Ursula Arnold. Arno Fischer. Evelyn Richter Gehaltene Zeit
MdbK, 3.07. – 03.10. 2016
Die Lehre. Arno Fischer und Evelyn Richter
MdbK und Kunsthalle der Sparkassenstiftung, 29.06. – 11.09. 2016
1950-1980 Fotografie aus Leipzig
MdbK, 16.03. – 22.08.2021
Evelyn Richter
Kunstpalast, Düsseldorf: 22.09.2022 – 08.01.2023
Evelyn Richter. Ein Fotografinnenleben
MdbK; 17.11.2023 — 17.03.2024
Kontakt
Dr. Jeannette Stoschek / Leiterin
Tel.: +49 341 21699 940,
E-Mail: jeannette.stoschek@leipzig.de