Unterschätzt. Künstlerinnen in Leipzig um 1900
Unterschätzt. Künstlerinnen in Leipzig um 1900
12.05. — 03.10.2022
1897 fand in der Messestadt Leipzig die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung – kurz STIGA – statt. Trotz des inhaltlichen Fokus auf Industrie und Gewerbe existierte auch eine eigens geschaffene Halle für zeitgenössische Kunst. Zum 125-jährigen Jubiläum der STIGA widmet das MdbK den damals ausgestellten – heute nahezu vergessenen – Künstlerinnen neue Aufmerksamkeit. Die Ausstellung beleuchtet neben der prekären Ausbildungssituation der Künstlerinnen und ihrer Rolle auf der STIGA auch die weibliche Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung jener Zeit.
In der Kunsthalle der STIGA wurden auf knapp 2.000m² Künstler*innen ausgestellt, die durch ihren Wohn- oder Geburtsort mit der Region verbunden waren. Unter den insgesamt 362 ausstellenden Kunstschaffenden befanden sich nur 34 Künstlerinnen. Oftmals sahen sich die Künstlerinnen mit dem Vorwurf des Dilettantismus konfrontiert und mussten sich in einer Männerdomäne behaupten. Sowohl die Auswahlkommission der STIGA als auch alle mit einer Medaille prämierten Kunstschaffenden waren Männer.
Unter den teilnehmenden Künstlerinnen befanden sich Marianne Fiedler, Emilie Mediz-Pelikan, Philippine Wolff-Arndt, Ella Hagen und Bertha Schrader. Marianne Fiedler war eine Studienkollegin von Käthe Kollwitz und eine der ersten Frauen, die im Kupferstich-Kabinett Dresden 1894 ihre Werke in einer Einzelausstellung präsentierte. Emilie Mediz-Pelikan nahm gemeinsam mit ihrem Mann, dem Wiener Künstler Karl Mediz, an der Ausstellung teil. Beide kannten sich aus der Künstlerkolonie Dachau und waren auf der ersten Kunstausstellung der Wiener Secession sowie auf Ausstellungen in Dresden und Berlin vertreten. Philippine Wolff-Arndt zog nach ihrem Unterricht am Städelschen Zeicheninstitut 1880 nach Leipzig, wo sie zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten porträtierte. Sie war Initiatorin und Vorsitzende des 1896 gegründeten Verein der Leipziger Künstlerinnen und Kunstfreundinnen und konnte ihre Bilder wiederholt im Leipziger Kunstverein ausstellen. Auf ihre Anregung hin wurde 1905 die Königliche Akademie für Grafik und Buchgewerbe in Leipzig (die heutige HGB) gegründet. Sie gilt als eine der ersten Kunsthochschulen in Deutschland, an der Frauen studieren durften. Die Leipziger Künstlerin Ella Hagen ist insbesondere für ihre Pflanzen- und Blumenstudien bekannt. Neben der Präsentation ihrer Werke in der Kunsthalle der STIGA war sie 1903 in einer Ausstellung des Leipziger Kunstgewerbemuseums vertreten. Bertha Schrader war in Dresden als Malerin, Grafikerin und Lithografin tätig. In ihrer Wirkungszeit in Dresden war sie Vorsitzende der 1904 gegründeten Gruppe Dresdner Künstlerinnen. Ihr Interesse erstreckte sich von Architektur und Interieur bis hin zur Landschaftsmalerei.
"If you need me, I‘m (still) in the basement!”
Parallel zu den ausgestellten Zeichnungen und Gemälden zeigen einige Künstler*innen der Klasse Installation und Raum der Hochschule für Grafik und Buchkunst eine Intervention, die die bis heute andauernde strukturelle Diskriminierung von weiblichen und nicht-binären Künstler*innen in den Blick nimmt.
Teilnehmende Künstler*innen der HGB Leipzig: Morten Bjerre, Melina Brass, Leila Brinkmann, Julia Gerke, Markus Heller, Brigita Kasperaitė, Kevin Koen, Nora Jil Langen, Merlin Maximilian Meister, Sophie Constanze Polheim, Kay Lotte Pommer, Yashar Shirdel
Die Ausstellung ist Teil des Themenjahres der Stadt Leipzig 2022 Leipzig. Freiraum für Bildung und wird von der Stadt Leipzig und dem Neuen Leipziger Kunstverein gefördert.