Ricarda Roggan
Ricarda Roggan
Der dunkle Wunsch der Dinge
10.02. — 06.06.2022







Mit der Einzelausstellung widmet sich das MdbK der in Leipzig lebenden und international renommierten Fotografin Ricarda Roggan (*1972). Neben dem neuen Bildzyklus 1971 im Eingangsraum, sind wichtige Arbeiten aus unterschiedlichen Werkphasen zu sehen, die Einblicke in das reiche Schaffen der Künstlerin geben.
Ricarda Roggans Interesse gilt den Dingen und ihren Orten. Menschen sind in ihren Werken nicht anzutreffen, vielmehr ihre Spuren und Überreste. Die Dinge und Lebensräume verweisen auf sie, zeigen, dass sie hinterlassen wurden, vergessen und liegen geblieben sind. Spuren des Verschleißes und der Zeit sind ihnen eingeschrieben. Nach kurzer Zeit schleichen sich Fragen und Zweifel an der vorgefundenen Ding- und Raumordnung in Roggans Fotografien ein. Menschenleere Fabrikgebäude, Ateliers, Hinterhöfe, Keller, Wälder wie zurückgelassene Videospielautomaten, Möbel und Gebrauchsgegenstände wurden von der Künstlerin gesichtet, umgestellt, neu inszeniert und analog fotografiert.
In ihrem neuen Werkzyklus 1971 setzt sich Roggan mit Fotografien des Künstlers Timm Rautert auseinander, bei dem sie von 1996–2004 in Leipzig studierte. Rautert schuf 1971 Aufnahmen von Gegenständen im New Yorker Atelier des amerikanischen Konzept- und Minimal-Art-Künstlers Walter De Maria. Diese Fotografien re-inszenierte Roggan 50 Jahre später in Leipzig in einem für kurze Zeit leerstehenden Gebäude der Leipziger Baumwollspinnerei. Ein für die Künstlerin besonderer Ort, denn dort entstanden ihre ersten Werke.
Erstmals nutzt die Fotografin für ihren Zyklus 1971 ein Druckverfahren auf Chromaluxe, eine für ihre lange Haltbarkeit bekannte fotografische Technik. In den gezeigten Werkserien wie Reset sind ausrangierte Videospielautomaten zu sehen, die verstaubt und verblichen an einem nicht näher auszumachenden Ort stehen. In ihrer Größe sprengen sie das Bild. In Set wird ein fotografisches Set zum autonomen Raum, der sich durch die malerischen, abstrakten und gegenständlichen Elemente kaum erfassen lässt. Zwischen dem Triptychon Tische und Stühle und Bank aus der Sammlung des MdbK sind verdichtete Waldszenen, Treppenstiegen und verlassene Orte vorzufinden. Die Werke Roggans überlassen den Betrachtenden, ob sie die Rolle der Künstlerin als Spurensuchende, Archäologin und Beobachterin einnehmen wollen. Roggan sucht, gräbt, schichtet Dinge um und findet neue Bildszenen, die die Themen der Inszenierung und Re-Inszenierung, der Arbeit im Atelier und des künstlerischen Prozesses untersuchen.
„Die Kunst ist der dunkle Wunsch aller Dinge“, schrieb Rainer Maria Rilke in seinen „Aufzeichnungen über die Kunst“. Auf dieses Zitat Rilkes bezieht sich Roggans künstlerische Praxis des fotografischen Bewahrens der Dinge und Orte, die sie wahrgenommen hat und in ihren Werken inszeniert. Die gezeigten Objekte verweigern sich in ihrer neuen Zeit- und Raumordnung einem Vergessen.
