Wibke Rahn

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Wibke Rahn

Vanishing Point

26/02 — 01/06/2020

Wibke Rahn, Vanishing Point, 2019, © VG Bild-Kunst Bonn, 2020
Wibke Rahn, Vanishing Point, 2019, © VG Bild-Kunst Bonn, 2020
Wibke Rahn, Vanishing Point (Detail), 2019, © VG Bild-Kunst Bonn, 2020
Wibke Rahn, Vanishing Point (Detail), 2019, © VG Bild-Kunst Bonn, 2020

Auf dem Dach des MdbK – und damit nur von einem erhöhten Punkt aus direkt sichtbar – befindet sich die skulpturale Installation Vanishing Point der Leipziger Künstlerin Wibke Rahn (*1977). Ein Live-Bild überträgt die aktuelle Situation auf dem Dach auf eine große Monitorwand im Foyer.

„Vanishing Point“ (dt. Fluchtpunkt) beschreibt in der Perspektivlehre einen Punkt am Horizont, auf den alle Linien zulaufen. Die über das Museumsdach hinausragende Silhouette des heutigen WESTIN Hotels prägt seit 1981 die Horizontlinie Leipzigs. Sie ist auch städtebaulicher Bezugspunkt der Installation von Wibke Rahn, deren Betonskulpturen die Silhouette des Hotels wiederholen. Die Skulpturen wurden zunächst aus Holz- oder Metallfundstücken gebaut, dann in Stahlbeton, dem Material der modernen Massenarchitektur, abgegossen. Die ursprüngliche Holzoberfläche blieb in ihrer Rauhigkeit erhalten, wirkt durch den Abguss aber kühl und verschlossen. Außerdem liegen Bauschutt und Trümmer auf dem Dach umher. Sie erinnern zum einen an das Trümmerfeld, das 2007/8 durch den Abriss der Ringbebauung in der gleichen Blickrichtung zu sehen war. Gleichzeitig rufen sie Assoziationen zu aktuellen Nachrichtenbildern hervor. Die Verschiebung der Zerstörung in das eigene Stadtbild macht Fluchtursachen hautnah erfahrbar.

Ausgangspunkt für die Arbeit von Wibke Rahn sind der vielfältige zu konstatierende Verlust von – realer wie geistiger – Heimat, dessen Niederschlag in den zunehmend nach Gesichtspunkten von Funktionalität und Effizienz gestalteten (Stadt-)Landschaften und Marc Augés Begriff der Nicht-Orte. Nach dem französischen Ethnologen sind Nicht-Orte sinnentleerte, transitorische Funktionsorte, Zeichen eines kollektiven Identitätsverlustes – „Orte des Ortlosen“. Das Unbehagen angesichts solcher Unorte und das Gefühl der Heimatlosigkeit zu thematisieren sind zentrale Anliegen der Installation.

So ist Vanishing Point auf unterschieldichen Ebenen lesbar und schafft Denkanstöße für einen menschlichen Stadtumbau und ein weltoffenes Sachsen. Der aktuell vieldiskutierte Begriff Heimat erhält neue gedankliche Perspektiven – auch für Leipzig.

Vanishing Point ist eine Kooperation mit The Westin Leipzig.

Wibke Rahn, Vanishing Point (Detail), 2019, © VG Bild-Kunst Bonn, 2020
Wibke Rahn, Vanishing Point (Detail), 2019, © VG Bild-Kunst Bonn, 2020