Programm Winter/Frühling 2023
Das neue Halbjahresprogramm ist da: Das Heft können Sie kostenlos im Museum mitnehmen.
Was kommt
Die Zukunft entsteht in unseren Köpfen: Bilder von Zielen, Situationen, von anderen Menschen und dem eigenen Leben, davon, wie es werden kann. Doch gegenwärtig fällt dies vielen schwer. Die Menschen in unserem Umfeld sprechen davon, wie unsicher oder gar gefährlich „die Zeiten“ seien, die Medien liefern dazu Nachrichten und Meinungen. Was uns stark macht, ist nicht allein die Fähigkeit, Zukunft zu entwerfen, sondern auch, dass wir in der Gegenwart Verbindungen eingehen – zueinander und zur Kunst. Inden kommenden Monaten begleitet uns Olga Costa, die von Leipzig nach Mexiko ging, mit ihren farbgewaltigen Bildern, die von einem anderen Land erzählen. Sie verlinkt uns mit ihrer Welt, in der sich das Menschliche in die Natur einfügt, statt ihrer Herr werden zu wollen. Beziehungen thematisieren wir auch mit einem Projekt, das die „Bruderländer“ der DDR in den Blick nimmt und danach fragt, was aus diesen (künstlerischen wie kämpferischen) Kontakten geworden und bis heute noch in Leipzig spürbar ist. Im Innenteil dieses Faltblattes begegnet unsschließlich, effektvoll durch ein „Gras-Alien“ vorgetragen, eine Sammlung an Wünschen. Wir möchten sie Ihnen zum neuen Jahr mitgeben. Sie stammen von Kindern und Jugendlichen, die mit der Künstler*innengruppe greater form neue Wege der kulturellen Teilhabe erproben und dabei spannende Verbindungen zum MdbK eingehen – damit wir künftig mehr Experimente wagen. Vielleicht können wir alle ein wenig mehr zu Gras-Aliens werden: grüner, vorsichtiger, respektvoller – auf diesem Planeten, auf dem wir nur Gäste sind, und der uns nicht gehört.
Klein, aber oho!
Einen Sammlungsschwerpunkt der Bibliothek des MdbK bildet die sogenannte Graue Literatur – Publikationen, die nicht in einem Verlag erschienen und nicht über den Buchhandel erhältlich bzw. recherchierbar sind. Das Spektrum reicht vom Faltblatt und Handzettel bis zum selbstverlegten Katalog. Für die zeit- und kunstgeschichtliche Forschung ist diese unscheinbare Gattung – in wenigen Bibliotheken vertreten – von hohem Wert und oft der einzige Beleg für Ausstellungen oder Veranstaltungen. Schon beim Aufbau der Bibliothek durch den Leipziger Kunstverein gelangten per Austauschmit anderen Institutionen selbstproduzierte Kataloge in den Bestand. Besonders umfangreich ist heute der Bestand an Grauer Literatur zur Kunst der DDR. Neben den erwähnten Gattungen finden sich auch Schriften von Behörden und Parteien zur Kunst- und Kulturpolitik – teilweise mit dem Stempel „Nur für den Dienstgebrauch“ versehen. Viele Sammlungen und Archive, vorwiegend von Privatpersonen, wurden seit der Friedlichen Revolution aufgelöst oder verkleinert. Durch persönliche Kontakte und Mundpropaganda erhielt das MdbK allein inden vergangenen fünf Jahren über 1.000 Exemplare dieser kleinen Gattung.
Nicht über uns ohne uns
Das MdbK möchte ein Ort für alle sein, ein Ort, in dem Inklusion selbstverständlich mitgedacht und gleichberechtigte kulturelle Teilhabe ermöglicht wird. Ergänzend zu Angeboten für und mit Menschen mit Behinderungen (z. B. MdbK [hubs], blind sehen, Führungen für Demenzerkrankte) hat das MdbK in den vergangenen Monaten versucht, die Orientierung für alle Besuchenden zu verbessern und Stolperfallen abzubauen.Bereits in der Konzeptionsphase wurden Menschen, die mit Beeinträchtigungen leben, einbezogen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen berücksichtigt. Die ersten Maßnahmen im Haus und auf der Website konnten dank der Unterstützung der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen inzwischen umgesetzt werden. Weiße Kontrastmarkierungen an den Eingangstüren und Treppenabsätzen, Orientierungshilfen in Brailleschrift an den Handläufen und kontrastreiche Auszeichnungen sind kleine Schritte auf dem Weg zu einem barrierearmen MdbK. Nach einer ersten Auswertung sind für 2023 weitere Verbesserungen geplant.
Die Lebensstufen ganz privat
Das Foto aus Hamburger Privatbesitz ist eine kleine Sensation. Es zeigt den bürgerlichen Salon der Familie Siemssen in Greifswald. Gemütlich sitzen die Personen beieinander, ganz rechts Hans-Jürgen Eggers, der Vater des Entdeckers der Fotografie, und links auf dem Sofa Anna (genannt Anning) Siemssen, eine Nachfahrin von Caspar David Friedrich. Und mittig über dem Biedermeiersofa hängen Friedrichs "Lebensstufen". Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, welchen emotionalen Wert das hier prominent im gesellschaftlichen und privaten Zentrum der Familie hängende Gemälde innehatte, bevor es zu einer Ikone deutscher Romantik wurde. Das MdbK erwarb das Werk von der Familie Siemssen 1931 – zu einem Zeitpunkt, als der Künstler einen Hype erfuhr und verschiedene deutsche Museen um Ankäufe seiner Gemälde rangen. Das Foto hingegen ist Zeugnis einer ganz persönlichen Bindungan das Werk.
Neue Allianzen
Wer schafft es, aus der eigenen Blase herauszukommen? Im Rahmen einer Kooperation des MdbK mit der Künstler*innengruppe greater form wird versucht Themen, Lebensrealitäten und ästhetische Formen in den Blick zu rücken, die bislang im MdbK unterrepräsentiert blieben. greater form arbeitet an der Schnittstelle von Kunst, Aktivismus und Bildung. Ihr Anliegen ist die Teilhabe von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen am künstlerischen und kulturellen Leben. Seit 2015 sind sie in Leipzig-Grünau aktiv. Zusammen mit Kids aus dem Stadtteil produzieren sie Kunst, erschaffen Situationen wie Buden, Schutzräume und Party-Settings, führen Aktionen im öffentlichen Raum durch und kuratieren Ausstellungen. Im Zentrum steht das prozessoffene Arbeiten, in dem Formen und Inhalte in Zusammenarbeit aller Beteiligter entstehen. In der Kooperation wollen greater form und das MdbK Expertisen und Ressourcen austauschen, voneinander lernen, und gemeinsam herausfinden, wie aus getrennten Lebenswelten neue Allianzen entstehen können.
Wilhelm Busch auf Reisen
Im Januar 2023 begeben sich neun Zeichnungen von Wilhelm Busch (1832 – 1908) auf die Reise nach Berlin ins Schloss Britz. Bei der routinemäßigen Überprüfung vorab wurde festgestellt, dass sich alle in alten, säurehaltigen Passepartouts befanden. Zudem waren die Pappen der Passepartoutsfest miteinander verklebt, so dass man die Blattränder nicht sehen konnte, und die Blätter waren auf die unteren Pappen aufgeklebt. Zunächst mussten die Zeichnungen dringend aus den alten Passepartouts entfernt werden. Früher wurden holzhaltige Pappen verwendet, bei denen im Lauf der Zeit chemische Prozesse entstehen, die zum Papierzerfall führen. Damit die Zeichnungen in 100 Jahren noch angeschaut werden können, muss dieser Verfallprozess gestoppt werden. Dafür wurden alle aus den alten Passepartouts herausgelöst und in neue Passepartouts montiert. Nun sind sie bereit für die Reise.