MdbK [next;raum]

Der 2022 eingerichtete MdbK [next;raum] lädt zu neuen Möglichkeiten der Teilhabe und des Dialogs ein. Gemeinsam mit Akteur*innen der Stadtgesellschaft sollen die Sammlungen, ihre Präsentation und Vermittlung kritisch hinterfragt werden.

MdbK [next;raum]

Im Rahmen der Neukontextualisierung der Sammlung hat das MdbK einen Ort für Teilhabe und Dialog geschaffen – den MdbK [next;raum]. Angesiedelt in der Raumgruppe der Sammlungspräsentation Renaissance im zweiten Obergeschoss, versteht er sich als interaktives Instrument, um in den Austausch mit der Stadtgesellschaft zu treten. Dabei kommen Stadt und Museum zusammen, erarbeiten gemeinsam Inhalte zu zeitrelevanten Themen und hinterfragen die Sammlungen, ihre Präsentation und Vermittlung kritisch. Der MdbK [next;raum] gibt Veranstaltungsimpulse und stößt Veränderungsprozesse an. Damit verhält sich das Museum nicht nur als Einrichtung der Wissensvermittlung, sondern möchte aus den Perspektiven der Stadtgesellschaft dazulernen.

Gefördert wird der MdbK [next;raum] im Programm 360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft der Kulturstiftung des Bundes und außerdem unterstützt von der feministischen Bibliothek MONAliesA Leipzig.

MdbK [next;raum] #02 – Lernen | Verlernen

Nachdem MdbK [next;raum] #01 im Jahr 2022 das Thema Geschlecht_Gender im MdbK verhandelte, hat sich 2023 eine neue Gruppe im MdbK [next;raum] #02 zum Thema Verlernen | Lernen _ Unlearning | Learning getroffen. Wie lernt man, veraltetes Wissen zu vergessen? Wie lassen sich künftig Ausstellungen und Museumsprozesse mit Unlearning-Prozessen verbinden?

In 10 Workshops widmeten sich die Teilnehmenden verschiedenen Unlearning-Aspekten. So sollten Kriterien wie Klasse, Rassismus, Diskriminierung, aber auch Aspekte des Museums analysiert, reflektiert und „verlernt“ werden. Dabei wurde durch Gespräche mit Kolleg*innen, Reformpädagog*innen, Autor*innen, Aktivist*innen, Alltagsüberlebenden und Sozialarbeitenden eine interdisziplinäre Perspektive geschaffen.

In seiner Ausstellungsszenografie widmet sich der aktuelle [next;raum] dem Thema Garten, um Verlernen | Unlearning erfahrbar zu machen. Inmitten der Sammlungsräume gelegen, fungiert er als Einladungsort und Experimentierfeld für Analogien zum Thema. Er kollaboriert mit belebter Natur, Kleingärten und Gartenkulturen. Was erzählen Alte Obstsorten und Alte Meister, Zäune und Wimpel, Schaukästen und verlassene Parzellen? Wie schmecken Permakulturen und wie kann Pflaumenmus dabei helfen, Entscheidungen im Museum freudvoller und demokratischer zu gestalten?

Seit dem 25.11.2023 finden sich sowohl im [next;raum] als auch im gesamten Haus verteilt Stationen in Form von Störenfrieden, die zum Reflektieren und Verlernen einladen.

Thementag 25.11.2023

SIND IM GARTEN. SPRENGEN DEN RASEN

„Das [next;raum]-Projekt betrifft Ideen zur Frage, wie ein Museum sich weiterbewegt, wie es offener und inklusiver wird und welche Zukünfte es entwerfen kann. Aktuell geben wir der Idee Raum, dass ein gemeinsames „Verlernen“ von Gewohnheiten neue Kräfte mobilisiert, die zu anderen Perspektiven führen: das ist fürs Museum ein spannender Prozess.

So könnten wir etwa verlernen, dass die Natur draußen bleibt, dass Kunst und Natur getrennte Wege gehen. Was würde geschehen, wenn wir Trennungen verlernen und sich Garten und Museum räumlich begegnen? Wenn sich ihre Rituale, Regeln und Ordnungen vermischen? Dann ergeben sich tatsächlich neue Impulse: Der Blick geht von der Wand in den Himmel, das Tun vom Kopf in den Körper, die Museumsbank wird zur Gartenbank, der Boden zum Rasen, die Ordnung zum Spiel: Garten ist Praxis. Und die Betrachterin wird ein bisschen Gärtnerin, Beteiligte und Aktivistin: Gärtnern macht Gemeinschaft.“

Stefan Weppelmann /Direktor MdbK

 

Am 25.11.2023 fand im Rahmen des MdbK [next;raum] #02 ein Thementag unter dem Motto Sind im Garten. Sprengen den Rasen statt. Im Rahmen von unterschiedlichen Programmpunkten konnten sich Besucher*innen interaktiv mit Unlearning-Aspekten auseinandersetzen. Das Programm des Thementags können Sie hier einsehen.



 

Vision und Haltung

Die Leipziger Museumskonzeption 2030 definiert Museen als „Mediatoren gesellschaftlicher Veränderung“. Inklusion und Partizipation werden als zentrale Anliegen hervorgehoben. Um unterschiedlichen Interessensgruppen Teilhabe zu ermöglichen, „könnten ihnen Räume im Ausstellungsbereich dauerhaft zur Verfügung gestellt werden“, heißt es in dem vom Stadtrat beschlossenen Papier.

Vor diesem Hintergrund fand in den Jahren 2021 und 2022 ein Team- und Leitbildprozess im MdbK statt. Dabei wurde festgehalten:„Kunstwerke regen zu Diskursen, Interaktionen und Bildung an. Partizipative Angebote, Veranstaltungen und Ausstellungen sind Grundlagen unserer zur Teilhabe einladenden Institution. Wir greifen gesellschaftlich relevante Themen auf und entwickeln Formate zur aktiven Mitgestaltung.“

In diesem Kontext ist der MdbK [next;raum] entstanden. Das Projekt versteht sich als Experimentierfeld innerhalb der Sammlungspräsentation. Es lädt zu einer breiter aufgestellten Auseinandersetzung mit Kunst außerhalb des kunsthistorischen Kanons ein.Besuchende werden zu Teilnehmenden und können damit stärker kognitiv, affektiv und aktional als lokale Öffentlichkeit in die Institution hineinwirken. Diese Form der Projektarbeit trägt dazu bei, dass das MdbK wichtige Prämissen wie Nachhaltigkeit, Partizipation und Teilhabe in die Museumsarbeit integriert. Menschen unterschiedlicher Herkunft werden eingeladen, ihre individuellen Referenzen und eigenen Sichtweisen auf spezifische Fragestellungen im Kontext des Kunstmuseums zu verwirklichen. Ihre eigenen Bearbeitungsstrategien sollen dazu beitragen, dass sich auch andere Besuchende neue Sichtweisen zutrauen. Auf diese Weise können marginalisierte Perspektiven, nicht ausgestellte, nicht gesammelte, und nicht repräsentierte Fragestellungen, Themen und Kunstwerke Relevanz erlangen.

MdbK [next;raum] #01 – Geschlecht | Gender

Der MdbK [next;raum] startete 2022 mit dem Projekt Unterm Rock. Reflections on gender issues, das sich mit der Repräsentation und Rezeption von Geschlecht und Geschlechtskonstruktionen in der Sammlung des MdbK befasste. Dafür wurden Vereine, Initiativen und Einzelpersonen aus Leipzig eingeladen, deren Perspektiven im MdbK bislang unterrepräsentiert sind. Alle, die Interesse hatten und bereit waren, eine kontinuierliche Teilnahme an acht Workshop-Terminen einzugehen, konnten mitmachen. Es gab kein Bewerbungs- und Ausschlussverfahren, was die Teilnehmenden sehr honoriert haben. Die Zusammenarbeit wurde mit einer Aufwandspauschale vergütet. Ziel war es, sich mit den Diskussionen und Fragen der Gruppe zu beschäftigen, in Bildern und visuellen Reflexionen – ergänzt durch Hintergrundinformationen, die von Seiten des MdbK oder über Literatur, bereitgestellt von der Leipziger Bibliothek MONAliesA, einflossen. Ein Erfolg ist, dass der Raum mit seinen sichtbaren Ergebnissen auch innerhalb des Museums Haltungen in Frage gestellt und Diskussionen angeregt hat. Im Rahmen der Projektarbeit hat am 12. November 2022 der MdbK Gender-Day stattgefunden. Dieser Thementag richtete sich an alle, die sich über die genannten Fragestellungen informieren und mit dem MdbK darüber insGespräch kommen wollten. Auf dem Programm standen Performances, Gespräche, und Führungen im MdbK [next;raum], ein Podiumsgespräch mit Gästen und ein kollaboratives Essen im Café Treff.

Stimmen

„Die Auseinandersetzung mit queer-feministischen Themen, wie sie hier am MdbK stattfindet, habe ich so noch in keinem anderen Museum erlebt. Insbesondere die Durchmischung und die Brüche von Epochen und Themen sowie Denkmustern ist extrem gewinnbringend und inspirierend. Die Interaktion der Künstler*innen mit der Kunst führt auch bei mir zu interaktiverem Denken/Schauen. Ich finds GROSSARTIG & wünsche mir mehr davon!“

 „Ich als Frau bekomme Beklemmungen und Übelkeit und Lust, laut zu schreien.“

„Neue Bilder erschaffen. BIPoC-Flinta* einladen. Aufhören exklusiv zu sein. Eigene Machtpositionen/Privilegien anerkennen und nutzen/Platz machen. Sich selbst zuhören, nur dann ist’s möglich anderen zuzuhören. RAUM BIETEN.“

„Es soll für alle sein. Jedoch sind die meisten Bilder oft sexistisch, die Frau wird zu schwach dargestellt.“

„Warum wird Kunst, zumindest gefühlt, nur im Bildungsbürgertum gemocht -> wie kann man Kunst allen Klassen zugängig machen? -> Und wieso soll man in Museen immer nur Kunst sehen und nicht machen? Warum nicht die großen grauen Wände von Gästen gestalten lassen? Lasst uns Teil der Kunst werden. Unverständnis, weil die Darstellung nicht der Breite der Realität entspricht, keine erotischen Gefühle, weil dieses „Ideal“ kalt & unlebendig wirkt; die Reduktion ärgert mich.“

„Ich bin der Meinung, dass ein Museum quasi meinungslos sein sollte. Die Rolle des Museums ist es, die Kunstwerke möglichst wertungsfrei auszustellen. Es muss nicht dafür sorgen, verschiedene Perspektiven darzustellen, sondern diese kommen mit jedem Besucher. Jeder Betrachter hat seine eigene Sichtweise auf die Kunst und bringt sich insofern ein, dass er sein Inneres durch die Werke beeinflussen lässt.“

„Uns prägt, was und wen wir sehen. Ob im Museum oder im „echten Leben“. Ich sehe viele erfolgreiche Männer und Quotenfrauen, die oftmals als diese betitelt werden. Ich habe auch in der aktuellen Ausstellung des MDBK das Gefühl, dass diese tollen Künstler*innen genutzt werden, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Ich würde sie so gerne in einem ungeframten Kontext sehen. Hoffentlich ist das bald möglich.“

„Um ehrlich zu sein, sollte man nicht so ein Riesendrama daraus machen. Ich habe mich, bezüglich Kunst, noch nie nicht gleichberechtigt gefühlt. Es sind die einzelnen Perspektiven der Museen und Künstler, da kann ich keinen Einfluss drauf nehmen. Entweder es gefällt mir, oder eben nicht, meine Entscheidung, ob es für mich persönlich angemessen ist oder nicht.“

„Ein „Nachbarschaftstreffen“ in der Konzeptionsphase neuer Ausstellungen wäre spannend. Ich stelle mir ein gemeinsames Picknick oder ein Frühstück an einer langen Tafel im MDBK vor, bei dem sich mit den Kurator*innen, Kunstvermittler*innen etc. über die geplanten Ausstellungen ausgetauscht werden kann (offen für alle).“

„Die Werke sollten mit Kommentaren versehen werden können; es sollten mehr Diskussionen über die Ausstellungen stattfinden, regelmäßige Projekte wie der next_raum.“

Bewertung

Das MdbK setzt sich in seinen Ausstellungen und Sammlungspräsentationen regelmäßig mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander.[1] Zum MdbK [next;raum] waren explizit Menschen eingeladen, die Interesse an der Thematik hatten – ohne Voraussetzung hinsichtlich ihres Bildungshintergrunds und ohne Frage nach ihrer Affinität zur bildenden Kunst. Zentral war der Austausch zwischen den Teilnehmenden untereinander und mit den Museumsmitarbeiter*innen. Das Ergebnis des Prozesses gibt auch Anlass zur Kritik (vgl. z.B. Kreuzer 11/2022), mit der wir uns auseinandersetzen. Sie zeigt vor allem, dass wir das Experiment MdbK [next;raum] weiter erläutern müssen. So wird etwa kritisch gefragt: Was darf im musealen Raum eigentlich passieren? Wer darf dort deuten und sprechen? Welche Wissens- und Kunstbegriffe lassen wir im Museum zu?

Auch jenseits von Ausstellungsformaten bieten wir experimentelle Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Kunst. Wir beschreiten dazu, gemeinsam mit interessierten Einzelpersonen und Initiativen sowie mit den Besucher*innen, alternative Ebenen der Deutung und lassen neue Räume der Teilhabe entstehen. Wir erkennen die unterschiedlichen Lebens-, Wissens- und Erfahrungshintergründe jeder*s Einzelnen als Expertise in eigener Sache an, die wertvoll ist und die das MdbK bereichert. Daher möchten wir diesen Stimmen auch im institutionellen Kontext zuhören und ihnen Raum geben.

Ohne Zweifel ergeben sich aus dem Spannungsfeld von Kunst und Gesellschaft viele wissenschaftliche Themenfelder, die der Erforschung lohnten. Im MdbK [next;raum] geht es jedoch um die Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen, die sich aus der eigenen, subjektiven Begegnung mit den Bildmedien des MdbK ergeben.

Wo Kunstwerke und Sammlungsgeschichte eine Art Würdeformel bilden sollen, für die ein unvoreingenommener Diskurs als beschämende Annäherung empfunden wird, sind Ausschlussmechanismen aufgerufen. Wenn Museen der Erwartung entsprechen, verbindliches Wissen auszustellen, werden Chancen vertan.

Mitsprache zu gestatten und zu gestalten, kann mit Unzulänglichkeiten und Unfertigkeiten einhergehen, das macht Prozessarbeit aus. Museen können unfertige Orte sein. Es geht nicht mehr ausschließlich darum, Diskurse mit jenen Teilöffentlichkeiten zu führen, die ebendiese Diskurse bestimmen, sondern darum, auch mit anderen Teilen der Öffentlichkeit ins Gespräch zu kommen. Es geht darum, das Zeitgemäße nicht allein in der Aktualität akademischen Wissens zu suchen, sondern in der Aktualität des Zugangs zur Institution.

Wie kommen wir zusammen?

[1] Gefördert von der Kulturstiftung des Bundes – 360° Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft, präsentiert das Haus Impulse, u. a. zu transkonfessionellen Einflüssen auf europäische Bildtradition (Luther und Abba Mikael) und zur Darstellung von Körper(-bild) und Rezeptionsgeschichte ethnischer Kennzeichnungen (Warum versklavt geboren?). Die eigene Sammlungsgeschichte, insbesondere die Repräsentation von sog. FLINTA-Künstler*innen, kam unlängst in der Ausstellung Unterschätzt. Künstlerinnen in Leipzig um 1900, 12.5.-3.10.2022) zur Sprache. Und ebenfalls im Rahmen von Ausstellungen betonen wir in besonderer Weise Fragen, wie sie im [next;raum] im Mittelpunkt standen: So etwa in der Schau mit Werken von Harry Hachmeister, in der die Fluidität heutiger Konstruktionen von Geschlechtszugehörigkeiten ein Thema war (Harry Hachmeister. Von Disko zu Disko, 3.2.-8.5.22).